Карлик Нос и другие любимые сказки. Уровень 1 / Der Zwerg Nase und andere Lieblingsmärchen бесплатное чтение

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© Матвеев С. А., адаптация текста, коммент., упражнения и словарь, 2024

© ООО «Издательство АСТ», 2024

Die Karawane

Es zog einmal eine große Karawane durch die Wüste. Auf der ungeheuren Ebene[1], wo man nichts als Sand und Himmel sieht, hörte man schon in weiter Ferne die Glocken der Kamele und die silbernen Röllchen der Pferde. Eine dichte Staubwolke, die ihr vorherging, verkündete ihre Nähe[2]. Wenn ein Luftzug die Wolke teilte, blendeten funkelnde Waffen und helleuchtende Gewänder das Auge.

So stellte sich die Karawane einem Manne dar. Er ritt ein schönes arabisches Pferd, mit einer Tigerdecke, an dem hochroten Riemenwerk hingen silberne Glöckchen. Auf dem Kopf des Pferdes wehte ein schöner Reiherbusch. Der Reiter sah stattlich aus. Sein Anzug war wunderbar. Ein weißer Turban bedeckte das Haupt. Der Rock und die weiten Beinkleider waren von brennendem Rot. Und ein gekrümmtes Schwert mit reichem Griff an seiner Seite. Er hat den Turban tief ins Gesicht gedrückt. Und die schwarzen Augen, und der lange Bart, der unter der gebogenen Nase herabhing! Die gaben ihm ein wildes, kühnes Aussehen.

Als der Reiter ungefähr auf fünfzig Schritt dem Vortrab der Karawane[3] nahe war, spornte er sein Pferd an. Dann war er in wenigen Augenblicken an der Spitze des Zuges angelangt. Die Wächter des Zuges entgegenstreckten ihm ihre Lanzen.

«Was wollt ihr?«rief der Reiter.»Wird ein einzelner Mann eure Karawane angreifen?«

Die Wächter schwangen ihre Lanzen wieder auf. Der Anführer ritt an den Fremden heran. Dann fragte der Anführer nach seinem Begehr.

«Wer ist der Herr der Karawane?«fragte der Reiter.

«Sie gehört nicht einem Herrn«, antwortete der Anführer.»Die Kaufleute ziehen von Mekka in ihre Heimat. Wir leiten die durch die Wüste.«

«So führt mich zu den Kaufleuten«, begehrte der Fremde.

«Das ist unmöglich«, antwortete der Anführer.»Wir müssen ohne Aufenthalt weiterziehen. Die Kaufleute sind hinten wenigstens eine Viertelstunde weiter. Aber wollen wir weiterreiten, um Mittagsruhe zu halten? So werde ich Eurem Wunsch willfahren.«

Der Fremde sagte nichts. Er zog eine lange Pfeife, die am Sattel festgebunden war. Und er ritt neben dem Anführer des Vortrabs weiter. Der Anführer wusste nicht, was er aus dem Fremden machen sollte. Er wollte nach seinem Namen fragen. Der Anführer sagte:

«Ihr raucht einen guten Tabak «und» Euer Pferd hat einen braven Schritt«.

Aber der Fremde antwortete nur:

«Ja, ja!«

Endlich waren sie auf dem Platz angekommen. Sie wollten Mittagsruhe halten. Der Anführer hat seine Leute als Wachen[4] aufgestellt. Er selbst war mit dem Fremden. Dreißig Kamele, schwer beladen[5], zogen vorüber. Nach diesen kamen auf schönen Pferden die fünf Kaufleute, denen die Karawane gehörte. Sie waren alt. Nur einer war viel jünger als die übrigen. Er war auch froher und lebhafter als die übrigen.

Man hatte Zelte aufgeschlagen. Die Kamele und Pferde waren in der Nähe. In der Mitte war ein großes Zelt von blauem Seidenzeug. Dorthin führte der Anführer der Wache den Fremden. Sie sahen die fünf Kaufleute auf goldgewirkten Polstern. Die Sklaven reichten ihnen Speise und Getränke.

«Wen bringt Ihr uns da?«rief der junge Kaufmann.

Der Fremde sprach:

«Ich heiße Selim Baruch. Ich bin aus Bagdad. Ich war auf einer Reise nach Mekka von einer Räuberhorde gefangen. Und habe ich mich vor drei Tagen heimlich aus der Gefangenschaft befreit. Ich hörte die Glocken eurer Karawane, und so kam ich bei euch an. Erlaubet mir, dass ich in eurer Gesellschaft reise! Und wenn ihr nach Bagdad kommet, werde ich eure Güte reichlich belohnen[6]. Ich bin der Neffe des Großwesirs.«

Der älteste der Kaufleute sagte:

«Selim Baruch, willkommen in unserem Schatten! Es macht uns Freude, dir beizustehen. Setze dich, iss und trinke mit uns!«

Selim Baruch setzte sich zu den Kaufleuten. Er aß und trank mit ihnen. Nach dem Essen räumten die Sklaven die Geschirre hinweg. Dann brachten sie lange Pfeifen und türkischen Sorbet. Die Kaufleute saßen lange schweigend. Sie sahen die bläulichen Rauchwolken zu. Die Rauchwolken verschwebten in die Luft. Der junge Kaufmann sagte endlich:

«So sitzen wir seit drei Tagen, zu Pferd und am Tisch, ohne uns durch etwas die Zeit zu vertreiben[7]. Ich verspüre gewaltig Langeweile. Nach Tisch will ich Tänzer sehen oder Gesang und Musik hören. Meine Freunde, können wir uns die Zeit vertreiben?«

Die vier älteren Kaufleute rauchten fort. Der Fremde aber sprach:

«Vielleicht auf jedem Lagerplatz kann einer von uns den anderen etwas erzählen? Dies kann uns schon die Zeit vertreiben.«

«Selim Baruch, du hast Recht«, sagte Achmet, der älteste der Kaufleute,»wir nehmen den Vorschlag an.«

«Das ist gut«, sprach Selim,»und will ich den Anfang machen.«

Vergnügt rückten die fünf Kaufleute näher zusammen. Sie ließen den Fremden in ihrer Mitte sitzen. Die Sklaven schenkten die Becher wieder voll. Sie stopften die Pfeifen ihrer Herren frisch. Sie brachten glühende Kohlen zum Anzünden. Selim nahm Sorbet, strich den langen Bart über dem Mund weg und sprach:

«So hört denn die Geschichte vom Kalif Storch.«

Die Geschichte von Kalif Storch[8]

I

Der Kalif Chasid zu Bagdad saß einmal an einem schönen Nachmittag behaglich auf seinem Sofa. Er hat ein wenig geschlafen, denn es war ein heißer Tag. Er rauchte aus einer langen Pfeife von Rosenholz. Er trank ein wenig Kaffee, den ihm ein Sklave einschenkte. Er strich sich allemal vergnügt den Bart, wenn es ihm geschmeckt hat. Es war ihm recht wohl[9]. Um diese Stunde war er immer mild und leutselig. Sein Großwesir Mansor besuchte ihn alle Tage um diese Zeit. An diesem Nachmittag kam er auch. Aber sah er sehr nachdenklich aus. Das war ganz gegen seine Gewohnheit. Der Kalif tat die Pfeife ein wenig aus dem Mund und sprach:

«Warum machst du ein so nachdenkliches Gesicht, Großwesir?«

Der Großwesir schlug seine Arme über die Brust. Er verneigte sich vor seinem Herrn und antwortete:

«Herr, ob ich ein nachdenkliches Gesicht mache, weiß ich nicht. Aber da drunten am Schloss steht ein Krämer. Er hat so schöne Sachen, dass es mich ärgert, nicht viel Geld zu haben.«

Der Kalif wollte seinem Großwesir eine Freude machen. Er schickte seinen schwarzen Sklaven hinunter, um den Krämer heraufzuholen. Bald kam der Sklave mit dem Krämer zurück. Dieser war ein kleiner, dicker Mann. Er war schwarzbraun im Gesicht. Er war in zerlumptem Anzug[10]. Er trug einen Kasten, in welchem er allerhand Waren hat. Perlen und Ringe, reichbeschlagene Pistolen, Becher und Kämme. Der Kalif und sein Wesir musterten alles durch. Der Kalif kaufte endlich für sich und Mansor schöne Pistolen, für die Frau des Wesirs aber einen Kamm. Dann sah der Kalif eine kleine Schublade. Er fragte, ob da auch noch Waren waren. Der Krämer zog die Schublade heraus. Er zeigte darin eine Dose mit schwärzlichem Pulver und ein Papier mit sonderbarer Schrift. Der Kalif und Mansor konnten das nicht lesen.

«Ich bekam einmal diese zwei Stücke von einem Kaufmann in Mekka. Und er fand sie auf der Straße«, sagte der Krämer.»Ich weiß nicht, was sie enthalten. Wollt Ihr das auch kaufen?«

Der Kalif hatte alte Manuskripte in seiner Bibliothek. Er kaufte Schrift und Dose und entließ den Krämer.

Aber was enthalte die Schrift?

«Gnädigster Herr und Gebieter«, sagte Mansor,»an der großen Moschee wohnt ein Mann. Er heißt Selim der Gelehrte[11], der versteht alle Sprachen. Vielleicht kann er das lesen.«

Der Gelehrte Selim war bald herbeigeholt.

«Selim«, sprach zu ihm der Kalif,»man sagt, du bist sehr gelehrt. Guck einmal ein wenig in diese Schrift. Kannst du sie lesen? Wenn ja, so bekommst du ein neues Festkleid von mir. Kannst du es nicht, so bekommst du zwölf Backenstreiche und fünfundzwanzig auf die Fußsohlen!«

Selim verneigte sich und sprach:

«O Herr!«

Lange betrachtete er die Schrift. Plötzlich aber rief er aus:

«Das ist lateinisch, o Herr!«

«Sag, was drin steht[12]«, befahl der Kalif,»wenn es lateinisch ist.«

Selim begann zu übersetzen:

«Mensch, der du dieses findest, preise Allah für seine Gnade! Wer von dem Pulver in dieser Dose schnupft und dazu spricht: Mutabor, der kann sich in jedes Tier verwandeln. Und kann er auch die Sprache der Tiere verstehen. Will er wieder in seine menschliche Gestalt zurückkehren, so neige er sich dreimal gen Osten. Dann spricht er jenes Wort. Aber hüte dich! Wenn du verwandelt bist, lach nicht! Sonst kommt das Zauberwort gänzlich aus deinem Gedächtnis, und du bleibst ein Tier.«

Der Kalif war sehr glücklich. Er entließ den Gelehrten und schenkte ihm ein schönes Kleid. Zu seinem Großwesir aber sagte er:

«Das heiß ich gut einkaufen, Mansor! Wie freue ich mich, bis ich ein Tier bin. Morgen früh kommst du zu mir. Wir gehen dann miteinander aufs Feld. Wir schnupfen etwas weniges aus meiner Dose und belauschen dann, was die Tiere in der Luft und im Wasser, im Wald und Feld sagen.«

II

Am anderen Morgen hat der Kalif Chasid gefrühstückt und sich angekleidet. Dann der Großwesir erschien. Der Kalif steckte die Dose mit dem Zauberpulver in den Gürtel. Dann machte er sich mit dem Großwesir ganz allein auf den Weg. Sie gingen zuerst durch die weiten Gärten des Kalifen, um ihr Kunststück zu probieren. Dann der Wesir schlug endlich vor, weiter hinaus an einen Teich zu gehen. Er sah da viele Tiere, namentlich Störche.

Der Kalif ging mit ihm dem Teich zu. Als sie dort angekommen waren, sahen sie ein Storchen. Zugleich sahen sie auch weit oben in der Luft einen anderen Storch.

«Gnädigster Herr«, sagte der Großwesir,»wollen wir Störche sein? Warum nicht?«

«Gut!«antwortete der Kalif.»Aber vorher wollen wir noch einmal betrachten, wie man wieder Mensch wird. Richtig! Wir müssen dreimal Mutabor sagen – so bin ich wieder Kalif und du Wesir. Aber müssen wir nicht lachen!«

Während der Kalif also sprach, sah er den anderen Storchen über ihrem Haupte. Schnell zog er die Dose aus dem Gürtel und nahm eine gute Prise. Dann bot er sie dem Großwesir dar, der gleichfalls schnupfte, und beide riefen:

«Mutabor!«

Da schrumpften ihre Beine ein[13] und wurden dünn und rot. Die schönen gelben Pantoffel des Kalifen und seines Begleiters wurden unförmliche Storchfüße. Die Arme wurden zu Flügeln. Der Hals fuhr aus den Achseln und ward eine Elle lang. Der Bart war verschwunden, und den Körper bedeckten weiche Federn.

«Ihr habt einen hübschen Schnabel, Herr Großwesir«, sprach der Kalif.»Beim Bart des Propheten[14], so etwas habe ich in meinem Leben nicht gesehen.«

«Danke«, erwiderte der Großwesir,»aber Eure Hoheit sehen als Storch noch hübscher aus denn als Kalif. Aber kommt! Wir werden unsere Kameraden dort belauschen und erfahren, ob wir wirklich Storchisch[15] können.«

Indem war der andere Storch auf der Erde angekommen. Er putzte sich mit dem Schnabel seine Füße. Er legte seine Federn zurecht und ging auf den ersten Storchen zu. Die beiden neuen Störche aber beeilten sich, in ihre Nähe zu kommen. Sie vernahmen zu ihrem Erstaunen folgendes Gespräch:

«Guten Morgen, Frau Langbein[16], so früh schon auf der Wiese?«

«Schönen Dank, lieber Klapperschnabel[17]! Ich habe mir nur ein kleines Frühstück geholt. Wollen wir vielleicht ein Viertelchen Eidechse oder ein Froschschenkelein essen?«

«Danke, aber habe ich heute gar keinen Appetit. Ich soll heute vor den Gästen meines Vaters tanzen.«

Zugleich schritt die junge Störchin durch das Feld. Der Kalif und Mansor sahen ihr verwundert nach. Als sie aber auf einem Fuß stand und mit den Flügeln anmutig dazu wedelte, da konnten sich die beiden nicht mehr halten. Ein Gelächter brach aus ihren Schnäbeln hervor. Der Kalif fasste sich zuerst wieder[18]:

«Das war einmal ein Spaß«, rief er,»der nicht mit Gold man kaufen kann! Es ist schade, dass die dummen Tiere durch unser Gelächter erschrocken sind!«

Aber jetzt fiel es dem Großwesir ein, dass das Lachen während der Verwandlung verboten war. Er teilte seine Angst deswegen dem Kalifen mit.

«Das wird ein schlechter Spaß, wenn ich ein Storch bleiben will! Besinne dich doch auf das dumme Wort! Ich bring es nicht heraus.«

«Dreimal gen Osten müssen wir uns bücken und dazu sprechen: mu – mu – mu.«

Sie stellten sich gegen Osten und bückten sich in einem fort. Aber das Zauberwort war ihnen entfallen. Der Kalif bückte, sein Wesir rief mu – mu, aber könnten sie das Wort nicht sagen.

Der arme Chasid und sein Wesir waren und blieben[19] Störche.

III

Traurig wandelten die Verzauberten durch die Felder. Sie wussten gar nicht, was sie anfangen sollten. Aus ihrer Storchenhaut konnten sie nicht heraus, in die Stadt zurück konnten sie auch nicht. Wollen die Einwohner von Bagdad ein Storchen zum Kalifen haben?

So schlichen sie mehrere Tage umher und ernährten sich kümmerlich von Feldfrüchten. Zu Eidechsen und Fröschen hatten sie übrigens keinen Appetit. Aber konnten sie fliegen. So flogen sie oft auf die Dächer von Bagdad.

In den ersten Tagen bemerkten sie große Unruhe und Trauer in den Straßen. Aber ungefähr am vierten Tag saßen sie auf dem Palast des Kalifen. Da sahen sie unten in der Straße einen prächtigen Aufzug. Ein Mann in einem goldgestickten Scharlachmantel saß auf einem geschmückten Pferd. Halb Bagdad sprang ihm nach und alle schrien:

«Heil Mizra, dem Herrscher von Bagdad!«

Da sahen die beiden Störche auf dem Dache des Palastes einander an, und der Kalif Chasid sprach:

«Ahnst du jetzt, warum ich verzaubert bin, Großwesir? Dieser Mizra ist der Sohn meines Todfeindes[20], des mächtigen Zauberers Kaschnur. Aber noch gebe ich die Hoffnung nicht auf. Komm mit mir! Wir wollen zum Grabe des Propheten wandern. Vielleicht, an heiliger Stätte, der Zauber wird gelöst.«

Sie erhoben sich vom Dach des Palastes und flogen der Gegend von Medina zu.

Aber das war sehr schwer. Die beiden Störche hatten noch wenig Übung.

«O Herr«, ächzte nach ein paar Stunden der Großwesir,»Ihr fliegt gar zu schnell! Auch ist es schon Abend. Wir müssen ein Unterkommen für die Nacht suchen.«

Unten im Tale erblickte Chasid eine Ruine, so flogen sie dahin. Der Ort war ein Schloss. Schöne Säulen ragten aus den Trümmern hervor. Schöne Gemächer zeugten von der ehemaligen Pracht des Hauses. Chasid und sein Begleiter gingen durch die Gänge umher, um sich ein trockenes Plätzchen zu suchen.

Plötzlich blieb der Storch Mansor stehen.

«Herr und Gebieter«, flüsterte er leiser,»es ist töricht für einen Großwesir, noch mehr aber für einen Storchen, sich vor Gespenstern zu fürchten. Aber etwas hat ganz vernehmlich geseufzt und gestöhnt.«

Der Kalif blieb nun auch stehen und hörte ganz deutlich ein leises Weinen. Er wollte gehen, woher die Klagetöne kamen. Der Wesir aber packte ihn mit dem Schnabel am Flügel. Der Wesir bat ihn flehentlich, sich nicht in neue, unbekannte Gefahren zu stürzen.

Aber eilte der Kalif in einen finsteren Gang. Bald war er an einer Türe angelangt. Er stieß mit dem Schnabel die Türe auf. In dem verfallenen Gemach sah er eine große Nachteule am Boden. Dicke Tränen rollten ihr aus den großen, runden Augen. Mit heiserer Stimme stieß sie ihre Klagen. Als sie aber den Kalifen und seinen Wesir erblickte, erhob sie ein lautes Freudengeschrei. Zu dem großen Erstaunen der beiden rief sie in gutem menschlichem Arabisch:

«Willkommen, ihr Störche! Ihr seid mir ein gutes Zeichen meiner Errettung! Durch Störche werde mir ein großes Glück kommen!«

Der Kalif bückte sich mit seinem langen Hals. Er brachte seine dünnen Füße in eine zierliche Stellung und sprach:

«Nachteule! Deine Hoffnung ist vergeblich. Du wirst unsere Hilflosigkeit selbst erkennen, wenn du unsere Geschichte hörst.«

Die Nachteule bat ihn zu erzählen. Der Kalif aber hub an und erzählte alles.

IV

Als der Kalif der Eule seine Geschichte vorgetragen hat, dankte sie ihm und sagte:

«Vernimm auch meine Geschichte. Ich bin nicht weniger unglücklich als du. Mein Vater ist der König von Indien. Ich bin seine einzige unglückliche Tochter. Ich heiße Lusa. Jener Zauberer Kaschnur, der euch verzauberte, hat auch mich ins Unglück gestürzt. Er kam eines Tags zu meinem Vater. Er begehrte mich zur Frau für seinen Sohn Mizra. Mein Vater ist ein hitziger Mann. Er ließ ihn die Treppe hinunterwerfen[21]. Aber kam der Elende unter einer anderen Gestalt zu mir. Als ich einst in meinem Garten trinken wollte, brachte er mir, als Sklave verkleidet[22], einen Trank, der mich in diese abscheuliche Gestalt verwandelte. Er brachte mich her und rief mir mit schrecklicher Stimme in die Ohren:

›Da sollst du bleiben, bis an dein Ende, oder bis einer aus freiem Willen dich, selbst in dieser schrecklichen Gestalt, zur Gattin begehrt. So räche ich mich an dir und deinem stolzen Vater!‹

Seitdem sind viele Monate verflossen. Einsam und traurig lebe ich als Einsiedlerin in diesem Gemäuer. Die schöne Natur ist vor mir verschlossen, denn ich bin blind am Tage.«

Die Eule hatte geendet. Sie wischte sich mit dem Flügel wieder die Augen aus.

Der Kalif war bei der Erzählung der Prinzessin begeistert.

«Aha«, sprach er,»ich finde ein geheimer Zusammenhang zwischen unserem Unglück! Aber wo finde ich den Schlüssel zu diesem Rätsel?«

Die Eule antwortete ihm:

«O Herr! Auch mir ahnet dies. In meiner Jugend sagte eine weise Frau: ein Storch wird dir ein großes Glück bringen. Ich weiß vielleicht, wie wir uns retten können.«

Der Kalif war sehr erstaunt und fragte, auf welchem Wege sie meine.

«Der Zauberer«, sagte sie,»kommt alle Monate einmal in diese Ruinen. Nicht weit von diesem Gemach ist ein Saal. Dort pflegt er dann mit vielen Genossen zu schmausen. Schon oft habe ich sie dort belauscht. Sie erzählen dann einander ihre schändlichen Werke. Vielleicht kann er das Zauberwort, das ihr vergessen habt, aussprechen.«

«O teuerste Prinzessin«, rief der Kalif,»wann kommt er? Und wo ist der Saal?«

Die Eule schwieg einen Augenblick und sprach dann:

«Aber nur unter einer Bedingung[23] kann ich Euern Wunsch erfüllen.«

«Sprich aus! Sprich aus!«schrie Chasid.

«Nämlich, ich möchte auch gerne zugleich frei sein. Dies kann aber nur geschehen, wenn einer von euch mir seine Hand reicht[24]

Die Störche waren über den Antrag betroffen. Der Kalif winkte seinem Diener, ein wenig mit ihm hinauszugehen.

«Großwesir«, sprach der Kalif,»das ist die Frau für dich.«

«Was?«antwortete der Großwesir.»Meine Frau wird meine Augen auskratzen! Auch bin ich ein alter Mann, und Ihr seid noch jung und unverheiratet. Ihr könnt einer jungen, schönen Prinzessin die Hand geben.«

«Aber«, seufzte der Kalif,»wer sagt dir denn, dass sie jung und schön ist? Das heißt eine Katze im Sack kaufen!«

Sie redeten einander gegenseitig noch lange zu. Endlich aber, entschloss der Kalif sich, die Bedingung lieber selbst zu erfüllen. Die Eule war hocherfreut. Wahrscheinlich kommen in dieser Nacht die Zauberer.

Die Eule verließ mit den Störchen das Gemach, um sie in jenen Saal zu führen. Sie gingen lange in einem finstern Gang hin. Endlich strahlte ihnen ein heller Schein. Als sie dort angelangt waren, riet ihnen die Eule, sich ganz ruhig zu verhalten. Sie konnten von der Lücke einen großen Saal übersehen. In der Mitte des Saales stand ein runder Tisch, mit vielen Speisen. Rings um den Tisch zog sich ein Sofa, auf welchem acht Männer saßen. In einem dieser Männer erkannten die Störche den Krämer. Er erzählte die Geschichte des Kalifen und seines Wesirs.

«Was für ein Wort hast du ihnen denn aufgegeben?«fragte ihn ein anderer Zauberer.

«Ein recht schweres lateinisches, es heißt Mutabor«, antwortete der Krämer.

V

Die Störche liefen schnell. Dort sprach der Kalif zu der Eule:

«Retterin meines Lebens und des Lebens meines Freundes! Nimm mich zum Gemahl an!«

Dann aber wandte er sich nach Osten. Dreimal bückten die Störche ihre langen Hälse.

«Mutabor!«riefen sie.

Im Nu waren sie verwandelt! Und wer beschreibt ihr Erstaunen, als sie sich umsahen? Eine schöne Dame stand vor ihnen. Gab sie dem Kalifen die Hand.

«Erkennt Ihr Eure Nachteule nicht mehr?«sagte sie.

Sie war es. Der Kalif sagte:

«Es ist mein größtes Glück, dass ich Storch war!«

Die drei zogen nun miteinander auf Bagdad zu. Der Kalif fand in seinen Kleidern nicht nur die Dose mit Zauberpulver, sondern auch seinen Geldbeutel. Er kaufte daher im nächsten Dorfe, was zu ihrer Reise nötig war. So kamen sie bald an die Tore von Bagdad. Dort aber erregte die Ankunft des Kalifen großes Erstaunen. Man hat ihn für tot ausgegeben[25]. Das Volk war daher hocherfreut, seinen geliebten Herrscher wiederzuhaben.

Um so mehr aber entbrannte ihr Haß gegen den Betrüger Mizra. Sie zogen in den Palast und nahmen den alten Zauberer und seinen Sohn gefangen. Den Alten schickte der Kalif in dasselbe Gemach der Ruine. Er ließ ihn dort aufhängen. Dem Sohn ließ der Kalif die Wahl: sterben oder schnupfen. Der Sohn wählte das letztere. Eine tüchtige Prise, und das Zauberwort des Kalifen verwandelte ihn in einen Storchen. Der Kalif ließ ihn in ein eisernes Käfigt sperren.

Lange und vergnügt lebte Kalif Chasid mit seiner Frau, der Prinzessin. Wenn ihn der Großwesir nachmittags besuchte, da sprachen sie dann oft von ihrem Storchenabenteuer.

Die Geschichte vom kleinen Muck

In Nicea, meiner lieben Vaterstadt, wohnte ein Mann. Er hieß der kleine Muck. Damals war ich sehr jung. Der kleine Muck nämlich war schon ein alter Geselle. Er war nur drei bis vier Schuh hoch. Er hatte eine sonderbare Gestalt. Er war sehr klein und zierlich. Sein Kopf war viel größer und dicker als der Kopf anderer Leute. Er wohnte ganz allein in einem großen Haus. Er kochte sich sogar selbst. Er ging nur alle vier Wochen einmal aus.

Ich und meine Kameraden waren böse Buben, die jedermann gerne neckten und belachten. Es war uns allemal ein Festtag, wenn der kleine Muck ausging. Wir versammelten uns an dem bestimmten Tage vor seinem Haus und warteten, bis er herauskam. Dann aufging die Türe. Zuerst herausguckte der große Kopf mit dem noch größeren Turban. Dann nachfolgte das übrige Körperlein, mit einem abgeschabten Mäntelein, weiten Beinkleidern und einem breiten Gürtel, an welchem ein langer Dolch hing. Der Dolch war sehr lang.

Wenn er so heraustrat, da ertönte die Luft von unserem Freudengeschrei. Wir warfen unsere Mützen in die Höhe. Wir tanzten wie toll um ihn her. Der kleine Muck aber grüßte uns mit ernsthaftem Kopfnicken. Er ging mit langsamen Schritten die Straße hinab. Wir Knaben liefen hinter ihm her und schrien immer:

  • «Kleiner Muck, kleiner Muck!«

Auch hatten wir ein lustiges Verslein und da sangen:

  • «Kleiner Muck, kleiner Muck,
  • Wohnst in einem großen Haus,
  • Gehst nur all vier Wochen aus,
  • Bist ein braver, kleiner Zwerg,
  • Hast ein Köpflein wie ein Berg,
  • Schau dich einmal um und guck,
  • Lauf und fang uns, kleiner Muck!«

So haben wir schon oft unsere Kurzweil getrieben[26]. Zu meiner Schande muss ich sagen, ich trieb's am ärgsten[27]. Ich zupfte ihn oft am Mäntelein. Einmal trat ich ihm von hinten auf die großen Pantoffeln. Er hinfiel. Dann ging der kleine Muck auf meines Vaters Haus. Er ging richtig hinein und blieb einige Zeit dort.

Ich versteckte mich an der Haustüre. Dann kam der Muck heraus. Mein Vater hielt ihn an der Hand. Mir war gar nicht wohl zumute[28]. Ich blieb daher lange in meinem Versteck. Endlich trieb mich der Hunger heraus. Mit gesenktem Kopf trat ich vor meinen Vater.

«Du hast, wie ich höre, den guten Muck beschimpft?«sprach er.»Ich will dir die Geschichte dieses Muck erzählen. Du wirst ihn gewiss nicht mehr auslachen. Und vor- und nachher bekommst du das Gewöhnliche[29]

Das Gewöhnliche aber waren fünfundzwanzig Hiebe. Er nahm daher sein langes Pfeifenrohr und schraubte die Bernsteinmundspitze ab. Dann bearbeitete er mich ärger als je zuvor.

Als die Fünfundzwanzig voll waren, erzählte er mir von dem kleinen Muck.

Der kleine Muck heißt eigentlich Muckrah. Sein Vater war ein angesehener, aber armer Mann hier in Nicea. Er lebte einsiedlerisch wie jetzt sein Sohn. Er liebte ihn nicht, weil er sich seiner Zwerggestalt schämte. Der kleine Muck war noch in seinem sechzehnten Jahr ein lustiges Kind. Sein Vater, ein ernster Mann, tadelte ihn immer, dass er so dumm und läppisch war.

Der Alte starb und zurückließ den kleinen Muck arm und unwissend. Die harten Verwandten jagten den armen Kleinen aus dem Hause. Sie rieten ihm, in die Welt hinauszugehen und sein Glück zu suchen. Der kleine Muck antwortete, er ist schon fertig. Er bat sich aber nur noch den Anzug seines Vaters. Sein Vater war ein großer, starker Mann, daher paßten die Kleider nicht. Muck schnitt ab, was zu lang war, und zog dann die Kleider an. Sein Aufzug, wie er noch heute hat ist, der große Turban, der breite Gürtel, die weiten Hosen, das blaue Mäntelein. Alles dies sind Erbstücke seines Vaters. Den langen Damaszenerdolch[30] seines Vaters steckte er in den Gürtel, ergriff ein Stöcklein und wanderte zum Tor hinaus.

Fröhlich wanderte er den ganzen Tag. Er war ausgezogen, um sein Glück zu suchen. Wenn er eine Scherbe auf der Erde im Sonnenschein sah, so steckte er sie. Er sah die Kuppel einer Moschee – und eilte er voll Freude darauf zu. Denn er dachte, in einem Zauberland angekommen zu sein. Aber ach! Jene Trugbilder verschwanden in der Nähe. Nur erinnerten ihn seine Müdigkeit und sein vor Hunger knurrender Magen, dass er noch im Lande der Sterblichen sich befinde.

So war er zwei Tage gereist unter Hunger und Kummer. Er verzweifelte, sein Glück zu finden. Die Früchte des Feldes waren seine einzige Nahrung, die harte Erde sein Nachtlager. Am Morgen des dritten Tages erblickte er eine große Stadt.

Hell leuchtete der Halbmond auf ihren Zinnen. Bunte Fahnen schimmerten auf den Dächern. Überrascht stand er stille. Er betrachtete Stadt und Gegend.

«Ja, dort wird der kleine Muck sein Glück finden«, sprach er zu sich,»dort oder nirgends!«

Er schritt auf die Stadt zu. Aber konnte er sie doch erst gegen Mittag erreichen. Seine Glieder waren sehr klein. Er musste sich oft in den Schatten einer Palme setzen, um auszuruhen.

Endlich war er an dem Tor der Stadt angelangt. Er legte sein Mäntelein zurecht. Er band den Turban schöner um. Er zog den Gürtel noch breiter an. Er steckte den langen Dolch schiefer. Dann wischte er den Staub von den Schuhen. Er ergriff sein Stöcklein und ging mutig zum Tor hinein.

Er hat schon einige Straßen durchwandert. Aber nirgends öffnete sich ihm die Türe. Nirgends rief man:

«Kleiner Muck, komm herein! Iss und trink hier!«

Er schaute gerade an einem großen, schönen Haus hinauf. Da öffnete sich ein Fenster. Eine alte Frau schaute heraus. Sie rief:

  • «Herbei, herbei!
  • Gekocht ist der Brei,
  • Den Tisch ließ ich decken,
  • Drum lasst es euch schmecken;
  • Ihr Nachbarn herbei,
  • Gekocht ist der Brei.«

Die Türe des Hauses öffnete sich. Muck sah viele Hunde und Katzen. Er stand in Zweifel, ob er der Einladung folgen soll. Endlich aber ging er in das Haus. Vor ihm her gingen ein paar junge Kätzlein. Er beschloss, ihnen zu folgen.

Als Muck die Treppe hinaufgestiegen war, begegnete er jener alten Frau. Sie sah ihn mürrisch an.

«Du hast ja jedermann zu deinem Brei eingeladen«, antwortete der kleine Muck,»und weil ich so gar hungrig bin, bin ich auch gekommen.«

Die Alte lachte und sprach:

«Woher kommst du denn, wunderlicher Gesell? Die ganze Stadt weiß, dass ich für niemand koche als für meine lieben Katzen.«

Der kleine Muck erzählte der alten Frau, wie es ihm nach seines Vaters Tod ist. Er bat sie, ihn heute mit ihren Katzen speisen zu lassen.

Die alte Frau erlaubte ihm, ihr Gast zu sein. Sie gab ihm reichlich zu essen und zu trinken. Als er gesättigt und gestärkt war, betrachtete ihn die Frau lange und sagte dann:

«Kleiner Muck, bleibe bei mir in meinem Dienst[31]

Der kleine Muck, dem der Katzenbrei geschmeckt hat, willigte ein. Er wurde also der Bedienstete der Frau Ahavzi. Er hatte einen leichten, aber sonderbaren Dienst. Frau Ahavzi hatte zwei Kater und vier Katzen. Der kleine Muck musste alle Morgen den Pelz kämmen und mit Salben einreiben. Wenn die Frau ausging, musste er auf die Katzen Achtung geben. Wenn sie aßen, musste er ihnen die Schüsseln vorlegen. Nachts musste er sie auf seidene Polster legen. Musste er auch sie mit samtenen Decken einhüllen.

Auch waren noch einige kleine Hunde im Haus, die er bedienen musste. Übrigens führte Muck ein so einsames Leben wie in seines Vaters Haus. Außer der Frau sah er den ganzen Tag nur Hunde und Katzen.

Eine Zeitlang ging es dem kleinen Muck ganz gut. Er hatte immer zu essen und wenig zu arbeiten. Die alte Frau war zufrieden mit ihm. Aber nach und nach[32] wurden die Katzen unartig. Wenn die Alte ausgegangen war, sprangen sie in den Zimmern umher. Sie warfen alles durcheinander und zerbrachen manches schöne Geschirr. Wenn sie aber die Frau hörten, verkrochen sie sich auf ihre Polster. Wenn die Frau Ahavzi ihre Zimmer verwüstet sah, schob sie alles auf Muck. Sie glaubte ihren Katzen, mehr als ihrem Diener.

Der kleine Muck war sehr traurig. Beschloss er bei sich, den Dienst der Frau Ahavzi zu verlassen. Und beschloss er den Lohn, den ihm seine Gebieterin immer versprochen, aber nie gegeben hat, sich zu verschaffen. Es befand sich in dem Hause der Frau Ahavzi ein Zimmer, das immer verschlossen war. Und fiel ihm ein, dass dort die Schätze der Frau waren. Aber immer war die Tür fest verschlossen. Er konnte daher den Schätzen nie beikommen.

Eines Morgens war die Frau Ahavzi ausgegangen. Zupfte ihn eines der Hundlein an seinen weiten Beinkleidern und schaute, dass Muck ihm folgen soll. Muck folgte ihm. Das Hundlein führte ihn in die Schlafkammer der Frau Ahavzi vor eine kleine Türe. Die Türe war halb offen. Das Hundlein ging hinein. Muck folgte ihm. Er sah, dass er sich in dem Gemach befand!

Er spähte überall umher, ob er kein Geld fand. Er fand aber nichts! Nur alte Kleider und geformte Geschirre standen umher. Eines dieser Geschirre war von Kristall. Schöne Figuren waren darauf ausgeschnitten. Er hob es auf. Aber, o Schrecken! Er hat nicht bemerkt, dass es einen Deckel hat. Der Deckel fiel herab und zerbrach in tausend Stücke.

Lange stand der kleine Muck vor Schrecken leblos. Jetzt muss er entfliehen, sonst schlug ihn die Alte tot. Er sah ein Paar große Pantoffeln. Sie waren zwar nicht schön, aber seine waren viel schlechter. Er zog schnell seine Töffelein aus und fuhr in die großen hinein. Dann sah er ein Spazierstöcklein mit einem Löwenkopf in der Ecke. Er nahm es also mit und eilte zum Zimmer hinaus. Schnell ging er jetzt auf seine Kammer. Er zog sein Mäntelein an. Er setzte den väterlichen Turban auf. Er steckte den Dolch in den Gürtel und lief – zum Haus und zur Stadt hinaus. Vor der Stadt lief er, immer weiter fort.

So schnell war er in seinem Leben nicht gegangen. Endlich bemerkte er, dass die Pantoffeln schossen immer fort und führten ihn mit sich. Da rief er:

«Oh – oh, halt, oh!«

Da hielten die Pantoffeln. Muck warf sich auf die Erde nieder.

Die Pantoffeln freuten ihn ungemein. Er schlief trotz seiner Freude vor Erschöpfung ein. Das Körperlein des kleinen Muck trug so schweren Kopf. Im Traum erschien ihm das Hundlein, welches ihm im Hause der Frau Ahavzi half. Das Hundlein sprach zu ihm:

«Lieber Muck! Wenn du dich in Pantoffeln dreimal auf dem Absatz herumdrehst, so kannst du hinfliegen, wohin du nur willst. Mit dem Stöcklein kannst du Schätze finden. Wo Gold vergraben ist, da wird es dreimal auf die Erde schlagen, bei Silber zweimal.«

So träumte der kleine Muck. Als er aber aufwachte, dachte er über den wunderbaren Traum einen Versuch zu machen. Er zog die Pantoffeln an. Er lupfte einen Fuß. Er begann sich auf dem Absatz umzudrehen.

Der arme Kleine fiel einigemal tüchtig auf die Nase. Endlich glückte es. Er fuhr auf seinem Absatz herum, wünschte sich in die nächste große Stadt, und – die Pantoffeln ruderten hinauf in die Lüfte. Sie liefen mit Windeseile durch die Wolken. Und befand sich der kleine Muck auf einem großen Marktplatz. Viele Buden waren hier aufgeschlagen. Unzählige Menschen liefen hin und her.

Der kleine Muck bedachte nun ernstlich, was er wohl anfangen kann, um sich ein Stück Geld zu verdienen. Er hatte zwar ein Stäblein, das ihm Schätze anzeigte. Aber wo soll er gleich einen Platz finden, wo Gold oder Silber vergraben waren? Endlich beschloss er, sich als Schnellläufer zu verdingen[33]. Der König dieser Stadt bezahlt am besten, so erfragte er den Palast.

Unter dem Tor des Palastes stand eine Wache. Die Wache fragte ihn, was er hier sucht. Auf seine Antwort, dass er einen Dienst sucht, wies man ihn zum Aufseher der Sklaven. Der Aufseher maß ihn mit seinen Augen von Kopf bis zu den Füßen und sprach:

«Wie, mit deinen Füßlein, willst du königlicher Schnellläufer werden? Hebe dich weg![34]«

Der kleine Muck versicherte ihm aber, dass er es mit dem Schnellsten auf eine Wette ankommen lassen will. Der Aufseher führte ihn in die Küche. Er selbst aber begab sich zum König und erzählte ihm vom kleinen Muck und seinem Anerbieten. Der König war ein lustiger Herr. Er befahl ihm, auf einer großen Wiese hinter dem Schloss Anstalten zu treffen. Der König erzählte seinen Prinzen und Prinzessinnen über das Schauspiel. Als der Abend herankam, strömten alle auf die Wiese hinaus.

Der König und seine Söhne und Töchter nahmen Platz auf dem Gerüst. Ein allgemeines Freudengeschrei ertönte. Eine solche Figur hat man dort nie gesehen. Das Körperlein mit dem mächtigen Kopf, das Mäntelein und die weiten Beinkleider, der lange Dolch in dem breiten Gürtel, die kleinen Füßlein in den weiten Pantoffeln – nein! Es war sehr drollig. Der kleine Muck stellte sich stolz und erwartete seinen Gegner. Der Aufseher der Sklaven hat den besten Läufer ausgesucht. Beide harrten auf das Zeichen. Da winkte Prinzessin Amarza mit ihrem Schleier, und flogen die beiden Wettläufer über die Wiese hin.

Von Anfang hatte Mucks Gegner einen bedeutenden Vorsprung. Aber Muck jagte ihm auf seinem Pantoffelfuhrwerk nach und holte ihn ein. Dann überfing er ihn und stand längst am Ziele, als jener noch daherlief. Verwunderung und Staunen fesselten einige Augenblicke die Zuschauer. Der König klatschte in die Hände. Die Menge jauchzte. Alle riefen:

«Hoch lebe der kleine Muck[35], der Sieger im Wettlauf!«

Der kleine warf sich vor dem König nieder und sprach:

«Großmächtigster König! Gib mir eine Stelle unter deinen Läufern!«

Der König aber antwortete ihm:

«Nein, du sollst mein Leibläufer und immer um meine Person sein, lieber Muck! Jährlich sollst du hundert Goldstücke erhalten als Lohn. An der Tafel meiner ersten Diener sollst du speisen.«

So fand denn Muck endlich das Glück, das er so lange suchte. Er war fröhlich und wohlgemut in seinem Herzen. Auch erfreute er sich der besonderen Gnade des Königs. Der König gebrauchte ihn zu seinen schnellsten und geheimsten Sendungen.

Der kleine Muck in kurzer Zeit wurde Oberleibläufer[36]. Aber die übrigen Diener des Königs waren nicht zufrieden. Sie veranstalteten daher manche Verschwörung gegen ihn, um ihn zu stürzen.

Aber hatte Muck zu gutes Herz. Da nahm er sein Stäblein. Er hat gehört, dass der Vater des jetzigen Königs viele seiner Schätze vergraben hat. Und wo? Wo ist das Geld des alten Königs vergraben? Eines Abends führte ihn der Zufall in einen entlegenen Teil des Schlossgartens. Plötzlich schlug das Stöcklein in seiner Hand dreimal gegen den Boden.

Der kleine Muck zog daher seinen Dolch heraus. Er machte Zeichen in die Bäume und schlich sich wieder in das Schloss. Dann nahm er einen Spaten.

Seine Arme waren gar zu schwach, sein Spaten aber groß und schwer. Endlich stieß er auf etwas Hartes. Das klang wie Eisen. Muck grub jetzt emsiger, und bald sah er einen großen eisernen Deckel. Er fand einen großen Topf, mit Goldstücken angefüllt. Aber seine schwachen Kräfte reichten nicht hin, den Topf zu heben. Steckte er in seine Beinkleider und seinen Gürtel, so viel er zu tragen vermochte. Auch füllte er sein Mäntelein damit. Dann kam er auf sein Zimmer und verwahrte dort sein Gold unter den Polstern seines Sofas.

Jetzt wird das Blatt wenden! Er wird viele Gönner und warme Anhänger erwerben. Aber nein. Das Gold, das der kleine Muck austeilte, erweckte den Neid der übrigen Hofbediensteten. Der Küchenmeister sagte:

«Er ist ein Falschmünzer.«

Der Sklavenaufseher Achmet sagte:

«Er hat das dem König abgeschwatzt.«

Archaz, der Schatzmeister, sein ärgster Feind, sagte geradezu:

«Er hat das gestohlen.«

Eines Tages stellte der Obermundschenk[37] Korchuz sich traurig vor die Augen des Königs. Der König fragte, was ihm fehle.

«Ah«, antwortete Korchuz,»ich bin traurig, dass ich die Gnade meines Herrn verlor.«

«Quatsch, Korchuz!«entgegnete ihm der König.»Warum sagst du so?«

«Der König beladet den geheimen Oberleibläufer mit Gold, und seinen armen, treuen Dienern gibt nichts«, antwortete ihm der Obermundschenk.

Der König war sehr erstaunt. Hat Muck das Geld aus der Schatzkammer gestohlen? Sehr lieb war diese Wendung der Sache dem Schatzmeister. Der König gab daher den Befehl, des kleinen Muck achtzugeben. Als nun in der Nacht, nahm der kleine Muck den Spaten und schlich in den Schlossgarten, folgten ihm von weitem die Wachen. Da er das Gold aus dem Topf in sein Mäntelein legen wollte, fielen sie über ihn her. Sie banden ihn und führten ihn sogleich vor den König. Der König war mürrisch und stellte sogleich das Verhör über ihn an. Man hat den Topf aus der Erde gegraben und mit dem Spaten und mit dem Mäntelein voll Gold vor die Füße des Königs gesetzt. Der Schatzmeister sagte aus, dass Muck diesen Topf mit Gold gerade in die Erde gegraben hat.

Der kleine Muck sagte aus, dass er diesen Topf im Garten entdeckt hat.

Alle Anwesenden lachten laut über diese Entschuldigung. Der König rief aus:

«Wie, Elender! Du willst deinen König so dumm und schändlich belügen!«

Da befahl der König, den kleinen Muck in enge Ketten zu legen und in den Turm zu führen. Der Schatzmeister übergab das Gold und trug es in den Schatz. Aber unten in dem Topf lag ein Zettel, der sagte:

«Der Feind hat mein Land überschwemmt. Daher verberge ich hier einen Teil meiner Schätze. Wer es findet, den treffe der Fluch seines Königs, wenn er es nicht meinem Sohne ausliefert! König Sadi.«

Der kleine Muck stellte in seinem Kerker traurige Betrachtungen an. Er mochte das Geheimnis mit dem Stäbchen dem König nicht verraten. Seine Pantoffeln konnten ihm leider auch keine Hilfe bringen. Da war er in engen Ketten an die Mauer geschlossen. Er konnte sich nicht auf dem Absatz umdrehen. Aber es ist besser, ohne das Zauberstäbchen zu leben als mit ihm zu sterben. Er ließ den König um geheimes Gehör bitten. Dann entdeckte Muck ihm das Geheimnis. Der König glaubte das nicht. Aber der kleine Muck versprach eine Probe.

Der König hat einiges Gold in die Erde vergraben. In wenigen Augenblicken hat Muck es gefunden. Das Stäbchen schlug deutlich dreimal auf die Erde. Da merkte der König, dass ihn sein Schatzmeister betrogen hat. Zum kleinen Muck sprach der König:

«Es scheint mir, als ob du nicht allein dieses Geheimnis mit dem Stäbchen besitzest. Darum bleibst du in ewiger Gefangenschaft, wenn du nicht gestehst: warum bist du so schnell?«

Der kleine Muck bekannte, dass seine ganze Kunst in den Pantoffeln liege. Doch lehrte er den König nicht das Geheimnis von dem dreimaligen Umdrehen auf dem Absatz. Der König schlüpfte selbst in die Pantoffeln, um die Probe zu machen. Er jagte wie unsinnig im Garten umher. Oft wollte er anhalten, aber er wusste das nicht. Der kleine Muck ließ ihn laufen, bis er ohnmächtig niederfiel.

Der König war schrecklich über den kleinen Muck:

«Ich schenke dir Freiheit und Leben. Aber innerhalb zwölf Stunden musst du mein Land verlassen!«

Die Pantoffeln und das Stäbchen aber brachte er in seine Schatzkammer.

Der kleine Muck wanderte zum Land hinaus. Das Land war nicht groß, daher war er schon nach acht Stunden auf der Grenze.

Dann verließ er die gewöhnliche Straße, um die dichteste Einöde der Wälder aufzusuchen und dort nur sich zu leben. In einem dichten Walde traf er auf einen Platz. Ein klarer Bach, von großen Feigenbäumen umgeben, ein weicher Rasen luden ihn ein. Hier warf er sich nieder.

Köstliche reife Feigen hingen an dem Baume. Er stieg hinauf und aß. Dann ging er an den Bach. Aber wie groß war sein Schrecken, als ihm das Wasser seinen Kopf mit zwei gewaltigen Ohren und einer dicken, langen Nase zeigte! Er griff mit den Händen nach den Ohren, und sie waren, wirklich, über eine halbe Elle lang.

«Ich verdiene Eselsohren!«rief er aus.»Denn ich ein Esel bin.«

Er wanderte unter den Bäumen umher. Und noch einmal aß er die Feigen. Jetzt fühlte er, dass seine Ohren verschwunden waren. Er lief gleich an den Bach zurück. Und wirklich, es war so, seine Ohren hatten ihre vorige Gestalt. Seine lange, unförmliche Nase war nicht mehr. Jetzt merkte er aber, wie dies gekommen war. Von dem ersten Feigenbaum hatte er die lange Nase und Ohren bekommen. Der zweite hatte ihn geheilt.

Er pflückte daher von jedem Baum so viel, wie er tragen konnte. Er ging in das Land zurück. Dort ging er dann weiter auf die Stadt zu, die jener König bewohnte, und kam auch bald dort an.

Der kleine Muck setzte sich daher unter das Tor des Palastes. Der Küchenmeister fiel sein Blick auch auf Mucks Körbchen.

«Ah, ein seltener Bissen«, sagte er,»was willst du für den ganzen Korb?«

Der kleine Muck bestimmte einen mäßigen Preis. Der Küchenmeister übergab den Korb einem Sklaven und ging weiter.

Der König war über Tisch sehr glücklich. Der Küchenmeister aber sagte:

«Ende gut, alles gut.«

Dann brachte er die schönen, einladenden Feigen.

«Wie reif, wie appetitlich!«rief der König.»Küchenmeister, du bist ein ganzer Kerl! Du verdienst unsere ganz besondere Gnade!«

Dann teilte der König die Feigen an seiner Tafel aus. Jeder Prinz und jede Prinzessin bekam zwei, die Hofdamen und die Wesire eine. Die übrigen stellte er vor sich hin und begann sie zu verschlingen.

«Aber, lieber Gott, wie siehst du so wunderlich aus, Vater?«rief die Prinzessin Amarza.

Oh! Ungeheure Ohren hingen ihm am Kopf, eine lange Nase zog sich über sein Kinn herunter. Sie betrachteten sich selbst mit Staunen und Schrecken. Alle waren mit dem sonderbaren Kopfputz geschmeckt.

Man schickte sogleich nach allen Ärzten der Stadt. Sie kamen haufenweise. Sie verordneten Pillen und Mixturen. Aber die Ohren und die Nasen blieben. Man operierte einen der Prinzen. Aber die Ohren wuchsen nach.

Muck hat einen Anzug gekauft, der ihn als Gelehrten darstellen kann. Ein langer Bart aus Ziegenhaaren vollendete die Täuschung. Mit einem Säckchen voll Feigen wanderte er in den Palast des Königs. Er bot als fremder Arzt seine Hilfe an. Dann hat er den Prinzen geheilt.

Der König nahm ihn bei der Hand und führte ihn in sein Gemach. Dort schloss er eine Türe auf, die in die Schatzkammer führte.

«Hier sind meine Schätze«, sprach der König,»nimm was du willst, wenn du mich von diesem Übel befreist.«

Muck sah seine Pantoffeln und auch sein Stäbchen. Er schlüpfte eilends hinein. Dann ergriff er sein Stäbchen und riss seinen falschen Bart herab. Er zeigte dem erstaunten König das Gesicht seines Muck.

«Treuloser König«, sprach er,»nimm als Strafe die Missgestalt, die du trägst! Die Ohren werden dich täglich an den kleinen Muck erinnern.«

Dann drehte Muck sich schnell auf dem Absatz herum, und war er entflohen. Seitdem lebt der kleine Muck hier in großem Wohlstand, aber einsam. Er verachtet die Menschen. Er ist durch Erfahrung ein weiser Mann geworden, welcher deine Bewunderung verdient.

«So erzählte mir mein Vater. Ich erzählte meinen Kameraden die wunderbaren Schicksale des Kleinen. Wir schimpften ihn nicht mehr. Im Gegenteil, wir ehrten ihn.«

Der Zwerg Nase

Die Zeit Haruns Al-Raschid[38], des Beherrschers von Bagdad, Feen und Zauberer ist nicht gegangen. Noch heute gibt es Feen. Es ist nicht so lange her, dass ich die Genien sah.

In einer Stadt meines lieben Vaterlandes, Deutschlands, lebte vor vielen Jahren ein Schuster mit seiner Frau. Er saß an der Ecke der Straße und flickte Schuhe und Pantoffel. Seine Frau verkaufte Gemüse und Früchte. Sie pflanzte die Gemüse und Früchte in einem kleinen Gärtchen. Viele Leute kauften gerne bei ihr. Sie war reinlich und sauber gekleidet.

Sie hatten einen schönen Knaben. Er war zwölf Jahre alt. Aber war er ziemlich groß. Er saß gewöhnlich bei der Mutter auf dem Gemüsemarkt. Er half den Weibern oder Köchen. Er trug die Früchte nach Hause. Und selten kam er zurück ohne eine schöne Blume oder ein Stückchen Geld oder Kuchen. Die Herrschaften beschenkten ihn reichlich.

Eines Tages saß die Frau des Schusters auf dem Markte. Sie hatte vor sich einige Körbe mit Kohl und anderem Gemüse, Kräuter und Sämereien. Auch in einem kleineren Körbchen frühe Birnen, Äpfel und Aprikosen. Der kleine Jakob, so hieß der Knabe, saß neben ihr. Er rief mit die Waren aus[39]:

«Hierher, ihr Herren, seht, welch schöner Kohl, wie wohlriechend diese Kräuter! Frühe Birnen, ihr Frauen, frühe Äpfel und Aprikosen! Wer kauft?«

So rief der Knabe. Da kam ein altes Weib über den Markt her. Sie sah etwas zerrissen und zerlumpt aus. Sie hatte ein kleines, spitziges Gesicht. Sie hatte rote Augen und eine spitzige, gebogene Nase. Sie ging an einem langen Stock, und doch konnte man nicht sagen, wie sie ging. Sie hinkte, rutschte und wankte.

Die Frau des Schusters betrachtete dieses Weib aufmerksam. Nie hat sie diese sonderbare Frau bemerkt. Aber sie erschrak, als die Alte auf sie hinkte zu und an ihren Körben stillestand.

«Seid Ihr Hanne, die Gemüsehändlerin?«fragte das alte Weib.

«Ja, die bin ich«, antwortete die Schustersfrau,»ist Euch etwas gefällig?«

«Ich will sehen! Kräutlein schauen, Kräutlein schauen, ob du hast, was ich brauche«, antwortete die Alte.

Sie beugte sich nieder vor den Körben. Dann fuhr sie mit ein Paar dunkelbraunen, hässlichen Händen in den Kräuterkorb hinein. Sie packte die Kräutlein mit ihren langen Spinnenfingern. Sie brachte sie dann eines um das andere hinauf an die lange Nase. Die Frau beroch sie hin und her.

Die Frau des Schusters wagte nichts zu sagen. Es war das Recht des Käufers, die Ware zu prüfen. Dann murmelte die Alte:

«Schlechtes Zeug, schlechtes Kraut, nichts von allem, was ich will. Es war viel besser vor fünfzig Jahren. Schlechtes Zeug, schlechtes Zeug!«

Solche Reden verdrossen nun den kleinen Jakob.

«Höre, du bist ein unverschämtes altes Weib«, rief er unmutig,»erst fährst du mit deinen garstigen braunen Fingern in die schönen Kräuter hinein! Dann drückst du sie zusammen! Dann hältst du sie an deine lange Nase. Niemand wird das kaufen! Und jetzt schimpfst du noch unsere Ware schlechtes Zeug. Aber doch kauft selbst der Koch des Herzogs alles bei uns!«

Das alte Weib lachte widerlich und sprach:

«Söhnchen, Söhnchen! Also gefällt dir meine Nase, meine schöne, lange Nase? Warte mal. Du wirst dieselbe haben. Nur warte mal.«

Während sie so sprach, rutschte sie an den anderen Korb, in welchem Kohl war. Sie nahm die weißen Kohlhäupter in die Hand. Sie drückte sie zusammen, dass sie ächzten, warf sie dann wieder unordentlich in den Korb. Dann sprach sie auch hier:

«Schlechte Ware, schlechter Kohl!«

«Wackle nur nicht so garstig mit dem Kopf hin und her!«rief der Junge ängstlich.»Dein Hals ist so dünne wie ein Kohlstengel! Dein Kopf wird hinein in den Korb fallen. Wer wird dann noch kaufen?«

«Gefallen sie dir nicht, die dünnen Hälse?«murmelte die Alte.»Du wirst keinen Hals haben! Dein Kopf wird in den Schultern stecken, vom kleinen Körperlein.«

«Nun, nun«, sagte endlich die Frau des Schusters,»macht nicht solchen Quatsch[40]! Wenn Ihr etwas kaufen wollt, so sputet Euch.«

«Gut, wie du sagst«, rief die Alte,»ich will dir diese sechs Kohlhäupter abkaufen. Aber siehe, ich muss mich auf den Stab stützen. Ich kann nichts tragen. Erlaube deinem Söhnlein, dass es mir die Ware nach Hause bringt. Ich will es dafür belohnen.«

Der Kleine wollte nicht mitgehen und weinte, denn ihm graute vor der hässlichen Frau. Aber die Mutter befahl es ihm. So raffte er die Kohlhäupter in ein Tuch zusammen. Dann folgte er dem alten Weibe über den Markt hin.

1 auf der ungeheuren Ebene – на необъятной равнине
2 verkündete ihre Nähe – возвещало о его приближении
3 dem Vortrab der Karawane – от начала каравана
4 als Wachen – на стражу
5 schwer beladen – с тяжелой поклажей
6 werde ich eure Güte reichlich belohnen – я щедро вознагражу вашу доброту
7 ohne uns durch etwas die Zeit zu vertreiben – не пытаясь скоротать время
8 Kalif Storch – калиф-аист
9 Es war ihm recht wohl. – Он был прекрасно настроен.
10 in zerlumptem Anzug – в лохмотьях
11 Selim der Gelehrte – Премудрый Селим
12 was drin steht – что там такое написано
13 schrumpften ihre Beine ein – их ноги сжались (уменьшились)
14 beim Bart des Propheten – клянусь бородой Пророка
15 Storchisch – язык аистов
16 Frau Langbein – госпожа Долгоножка
17 Klapperschnabel – Трещотка
18 fasste sich zuerst wieder – первым пришел в себя
19 waren und blieben – как были, так и остались
20 der Sohn meines Todfeindes – сын моего заклятого врага
21 Er ließ ihn die Treppe hinunterwerfen. – Он велел спустить его с лестницы.
22 als Sklave verkleidet – переодевшись рабом
23 unter einer Bedingung – при одном условии
24 mir seine Hand reicht – возьмет меня в жены
25 Man hat ihn für tot ausgegeben. – Его объявили умершим.
26 So haben wir schon oft unsere Kurzweil getrieben. – Так мы частенько развлекались.
27 ich trieb's am ärgsten – я шалил больше всех
28 Mir war gar nicht wohl zumute. – Мне было не по себе.
29 bekommst du das Gewöhnliche – ты получишь обычную порцию
30 Damaszenerdolch – дамасский кинжал
31 bleibe bei mir in meinem Dienst – оставайся у меня в услужении
32 nach und nach – мало-помалу
33 sich als Schnellläufer zu verdingen – устроиться на службу скороходом
34 Hebe dich weg! – Убирайся!
35 Hoch lebe der kleine Muck! – Да здравствует маленький Мук!
36 Oberleibläufer – старший личный гонец
37 Obermundschenk – старший виночерпий
38 die Zeit Haruns Al-Raschid – времена Гаруна аль-Рашида
39 rief mit die Waren aus – зазывал покупателей
40 macht nicht solchen Quatsch – не мелите ерунды
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